Aktueller Call

Call for Papers für die 24. Ausgabe der Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik:
Ist das Kunst… oder kann das die KI? Zum Verhältnis von menschlicher und künstlicher Kreativität 
(herausgegeben von Thomas Knaus, Olga Merz und Thorsten Junge)

Kreativität ist – neben kritischem Denken, Kommunikation und Kollaboration – eine der vier sogenannten 21st Century Skills sowie die zentrale Leitkategorie der Medienpädagogik: Das Motto „kreativ und kritisch mit Medien“ beflügelt sowohl Ansätze der medienpädagogischen Praxis als auch ihre konzeptionellen und theoretischen Arbeiten. Kreativität wird dabei als die Fähigkeit verstanden, neue Ideen zu entwickeln und gestalterisch oder schöpferisch tätig zu sein (vgl. Aufenanger 2020, o. S.). In genau diese menschlichen Prozesse des schöpferischen Tätigseins mischen sich heute zunehmend nicht-menschliche – künstliche – Akteur*innen.
Im aktuellen Diskurs steht Künstliche Intelligenz (KI) für ein Forschungsfeld der Informatik, in dem das maschinelle Lernen und heute insbesondere Deep Learning mithilfe künstlicher neuronaler Netze im Fokus stehen (vgl. Gapski 2021, o. S.). Dieses keineswegs neue Forschungsfeld (vgl. Turing 1950; Nilsson 2010; Knaus/Tulodziecki 2023, S. 7) hat in den letzten Jahrzehnten Anwendungen hervorgebracht, die bereits umfänglich Einzug in unseren Alltag gehalten haben. Hierzu gehören Expertensysteme wie Sprachassistenten, Dialogsysteme wie Chatbots und produktive Text- und Bildgeneratoren sowie sensor- und kameragesteuerte Industrieroboter und selbstfahrende Fahrzeuge. KI-Systeme schreiben heute Balladen und Essays, erzeugen Bilder aus sprachlichen Beschreibungen (text to image), musizieren im Stile bekannter Künstler*innen und erstellen Filme. Sie integrieren sich heute also zunehmend in solche Prozesse, die als Ausdrucksformen typisch menschlicher Kreativität gelten. What’s next und vor allem – was bedeuten diese Phänomene für das Verhältnis zwischen Menschen und Technik?

Kann KI kreative Menschen inspirieren und unterstützen?
Zunächst einmal ist zu konstatieren, dass die Verwendung von KI-Systemen gerade in kreativen Arbeitszusammenhängen recht attraktiv ist: Beschäftigte aus der Kreativbranche sorgen sich zwar einerseits um ihre berufliche Zukunft, sind aber andererseits fasziniert und bedienen sich recht selbstverständlich der neuen Möglichkeiten (vgl. Knaus et AI 2023): Werbetexter*innen lassen sich Entwürfe erstellen und sammeln Ideen, Übersetzer*innen und Grafiker*innen widmen sich, statt wie bisher der gestalterischen ‚Akkordarbeit‘, nun der kritisch-konstruktiven Begutachtung und Verbesserung (vgl. Siepmann 2023), Developer*innen und Programmierer*innen lassen sich beim Coden, bei der ungeliebten Dokumentation des Programmcodes oder der aufwändigen Fehlersuche unterstützen, Musiker*innen und Komponist*innen lassen sich von re-mixten Sounds inspirieren et cetera. Zusammenfassend wird mit Blick auf diese unvollständigen Beispiele deutlich, dass der Rückgriff auf KI-Techniken zur (kognitiven) Entlastung, zu mehr Freizeit für Beschäftigte und geringeren Fehlerquoten sowie gegebenenfalls auch zu höherer Produktivität führen kann – nicht nur in der Kreativbranche. Demgegenüber stehen aber auch Problemlagen wie die Abhängigkeit der eigenen Arbeitsweisen und Arbeitstechniken von technischen Vorstrukturierungen, die Umgestaltung gewohnter Arbeitsabläufe und -bereiche sowie die individuelle Sorge vor einem möglichen Verlust des Arbeitsplatzes. Bekanntermaßen birgt die Nutzung von KI-basierten Tools und Expertensystemen überdies auch strukturelle Herausforderungen, wie die Abhängigkeit von nicht überschaubaren Datenbeständen, die mangelnde Nachvollziehbarkeit oder Zweifelhaftigkeit (‚Halluzinationen‘) von Aussagen, die unreflektierte Uniformierung von Wissensbeständen sowie fehlende Metainformationen (‚Explainable AI‘ bzw. XAI), die sich aus den grundlegenden technischen Prinzipien neuronaler beziehungsweise probabilistisch operierender KI-Systeme ergeben (vgl. u. a. Knaus 2020a, S. 10 f.; Knaus et AI 2023; Knaus/Tulodziecki 2023, S. 6 f.). Wir fragen uns, ob es sich bei den beschriebenen Unterstützungen und Inspirationen durch KI-Techniken um eine konsequente Erweiterung des menschlichen Werkzeuggebrauchs handelt oder um eine zunehmende ‚Amalgamierung‘ menschlicher Kreativität und technischer Prozesse – einer augmented creativity, in der die tradierte Rollenverteilung zwischen ‚nutzen‘ und ‚genutzt werden‘ zunehmend verschwimmt.

Kann KI erkennen und verstehen?
Etymologisch bezeichnet Intelligenz die kognitive Fähigkeit, ‚zwischen den Zeilen lesen‘ zu können (inter legere) – also Sinn zu erkennen und Zusammenhänge verstehen zu können. Laut dem nach Alan Turing benannten Test gilt eine Maschine dann als intelligent, wenn ihre Antwort sich von einer entsprechenden menschlichen Leistung nicht unterscheiden lässt. Das ist dann der Fall, wenn beispielsweise ein textgenerierendes Dialogsystem wie der ChatBot ChatGPT durch überzeugende Formulierungen und menschenähnliches ‚Sprachvermögen‘ glaubhaft machen kann, dass seine Antwort substanziell ist. Gleiches gilt, wenn nicht zweifelsfrei erkennbar ist, ob ein Bild von einem Menschen entworfen wurde oder von einer bildgenerierenden KI, wie DALL-E oder Midjourney. Nach Alan Turing konstituiert sich die ‚Intelligenz‘ der Maschine also nicht ontologisch, sondern lediglich im Hinblick darauf, inwieweit sie das „Imitation-Game“ beherrscht und Menschen mit ihren Antworten überzeugen kann (Turing 1950, S. 433).
Hinsichtlich dieser Imitationsfähigkeit der Maschine haben wir in den letzten Jahren eine Schwelle überschritten: So genannte symbolverarbeitende KI war noch ‚hardkodiert‘, das heißt Menschen schrieben das Input-Output-Schema in das (Experten-)System ein, so dass dieses die Aufgabenstellungen nach vorgegebenen (Wenn-Dann-)Regeln abarbeiten konnte (vgl. Knaus/Tulodziecki 2023, S. 6). Auf Basis maschinellen Lernens können Algorithmen nun ihre ‚Ein-schreibungen‘ (ihre ‚Pro-gramme‘) selbstständig weiterentwickeln beziehungsweise nach analysierten oder auch neu generierten Daten (wie Signale und Messergebnisse von Sensoren) anpassen und so neue Handlungsbeschreibungen generieren (vgl. weiterführend u. a. Knaus 2020a, S. 10 f.; Knaus 2020b, S. 40). Konzeptionell wird dies erreicht, indem algorithmische Strukturen in Analogie zu Strukturen des menschlichen Nervensystems konzipiert werden (vgl. u. a. Ritter/Martinetz/Schulten 1992; Nida-Rümelin/Weidenfeld 2018, S. 47). Diese künstlichen neuronalen Netze überschreiten insofern die Schwelle des programmgesteuerten, symbolisch operierenden Computers (vgl. Mainzer 2006, S. 874; Tulodziecki 2023, S. 213), als dass sie nun in der Lage sind, Neues zu ‚erschaffen‘, wofür zuvor kein exakter ‚Bauplan‘ in sie ein-geschrieben wurde. Sie sind generativ, da sie neue Perspektiven auf die in Daten implizierten menschlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen produzieren können. In Anbetracht dessen fragen wir uns, ob mit künstlichen neuronalen Netzen und evolutionären Algorithmen eine maschinelle Form der Kreativität entsteht, die sich in zahlreichen Neuperspektivierungen medialer Produktionen in Kunst, Literatur- und Textgenese oder Film äußern wird.

Kann KI kreativ sein?
Die Beantwortung der Frage, ob eine künstliche Intelligenz kreativ sein kann, hängt nicht zuletzt von unserem Kreativitätsbegriff ab: Wie wir im letzten Abschnitt bereits ausführten, ist schon der Intelligenzbegriff im Kontext von KI eng, da sich menschliche Intelligenz nicht auf das Wahrnehmen, Verarbeiten und Speichern von Informationen und Sinneseindrücken reduzieren lässt, sondern – im wahrsten Sinne des Wortes – das ‚Lesen zwischen den Zeilen‘ mit einschließt. Worin besteht aber nun menschliche Kreativität und damit letztlich auch die Möglichkeit, Neues und Originelles zu generieren?
Die ‚Schöpfung aus dem Nichts‘ (Creatio ex nihilo) ist seit der frühchristlichen Theologie Gott vorbehalten. Aber selbst wenn man dem Menschen umfänglichere schöpferische Kraft zugesteht, ist fraglich, ob wir heute überhaupt noch etwas Neues schaffen können: Wurde nicht alles schon irgendwann von irgendwem erdacht und gemacht? Ist dann konsequenterweise heute nicht alles ein Remix, denn Innovatives in Wissenschaft und Kunst basiert doch stets auf der Inspiration von bereits Gewusstem und Geschaffenem (vgl. auch „everything is a remix”, Ferguson 2023). Die schöpferische Tätigkeit in Wissenschaft und Kunst konstituiert sich demnach durch ein Neuperspektivieren, Rearrangieren und ‚Remixen‘ auf der Grundlage der Auseinandersetzung mit den von anderen Menschen bereits gemachten Erfahrungen sowie bereits Gedachtem und Produziertem: Menschliche Kreativität zeigt sich hier im Spiel von Iteration und Alteration (vgl. Mersch 2006, S. 353) und ist in gewissem Sinne immer als Wechselspiel aus Kopie, Transformation und Rekombination zu begreifen (vgl. Ferguson 2023). Sichtbar werden diese Prozesse sowohl in der dadaistischen Montage als auch in der Art, wie Geisteswissenschaftler*innen Texte anderer Denker*innen in komplexen Verweis- und Zitationsiterationen in neuem Licht erscheinen lassen und damit zu einem eigenen Werk machen (vgl. dazu auch Barthes 1977). Es zeigt sich aber auch darin, wie Filmemacher*innen literarische Stoffe in einem neuen Format adaptieren, Remakes von älteren Filmen drehen oder wie wir alle digitale Fotos, Clips oder Filmausschnitte in Form von Memes, Reels oder Shorts wiederaufführen: „Remixing ist der kulturelle Ausdruck und Teil der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Verfasstheit und dürfte damit noch für lange Zeit ein zentraler Begriff der Kultur- und Gesellschaftstheorie bleiben“ (Stalder 2009, S. 2).
Diese Konzepte des Kopierens, Transformierens und Rekombinierens beherrschen heute auch Maschinen, ja sie gehören sogar zu ihren wesentlichen Stärken: Fordert man beispielsweise den Bot ChatGPT dazu auf, einen Text zu einem bestimmten Thema zu verfassen, so kann er auf Basis seines Large Language Models (LLM) über die Funktion ‚regenerate response‘ binnen Sekunden zahlreiche neue Betrachtungsweisen und Reformulierungen des gewählten Gegenstandes generieren, während der Bildgenerator Midjourney auf Anweisung (sog. Promts) gewünschte Motive entweder ‚fotorealistisch‘ oder ‚im Stile alter Maler‘ re-kreieren kann und damit neu inszeniert. Kann man vor diesem Hintergrund konstatieren, dass KI Kunst (er-)schaffen kann? Wird Kunst im Sinne von Téchne – also als regel-, genre- oder auch epochenspezifisch bewusstes Können – verstanden, dann müsste man eingestehen: Kaum eine Entität kann Regeln – wie der Kunst, eines bestimmten Kunststils, einer Epoche, eines Filmgenres oder einer Musikrichtung – so konsequent sammeln, integrieren und re-kombinieren wie KI-Systeme.

Kann KI frei entscheiden – und Regeln brechen?
Dagegen zeigt die Ästhetik der Aufklärung eine Idee der Kreativität, die über jene rein externalistisch betrachteten technisch-handwerklichen Grundlagen der Kunstproduktion hinausweist: Sie verbindet das Vermögen, schöpferisch tätig zu sein, mit dem Begriff der Freiheit: Freiheit als freies Spiel der inneren Kräfte des Menschen, der Einbildungskraft und des Verstandes, wird dabei zum Kriterium menschlicher Genialität (vgl. u. a. Kant 2015, S. 75 und 200; Winter 2022, S. 22, 27 und 50). So wies schon Immanuel Kant in seinen Schriften zur Ästhetik von 1794 auf das dialektische Grundprinzip künstlerischer Genialität, das sich einerseits durch das Regelbefolgen, andererseits aber auch durch die Freiheit zum Regelbruch – beziehungsweise zum Aufstellen eigener Regeln auszeichnet (vgl. weiterführend Kant 2015, S. 188; Winter 2022, S. 27–32 und 61–67; sowie auch de Certeau 1988). Menschen ist es möglich, aus ihrem ‚Programm‘ herauszutreten – auch wenn dies bekanntermaßen schwer fällt, wie beispielsweise die Habitustheorie und subjektkritische Studien zum Freiheitsbegriff in der Moderne verdeutlichen (vgl. u. a. Bourdieu 1992; Foucault 2008). Bleibt aber die Fähigkeit zum Regelbruch auch in Zukunft dem Menschen vorbehalten oder erleben wir heute angesichts ‚lernender‘ KI-Systeme, dass auch diese in der Lage sind, (von Menschen) vorgegebene Regeln zu brechen? Und falls ja: Welche Konsequenzen hätte dies für den humanistischen Freiheitsbegriff sowie die bildungstheoretisch bedeutsame Kategorie des mündigen Subjekts?

Kann der Mensch mit KI (noch) selbstbestimmt handeln?
Die Frage nach menschlicher Entscheidungsfreiheit unter Bedingungen künstlicher Intelligenz (vgl. weiterführend u. a. Tulodziecki 2023, S. 220 f.; Nida-Rümelin/Weidenfeld 2018, S. 43–52 und 59–61) führt nun wiederum zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurück: Den zentralen Vorstellungen medienpädagogischer Konzepte, in denen das kreative, selbstbestimmte und sozial verantwortliche Handeln mit Medien und Technik – respektive Selbstbestimmung und Mündigkeit in einer von Mediatisierung und Digitalisierung geprägten Welt – als übergeordnete Ziele von (Medien-)Bildung verhandelt werden (vgl. u. a. Knaus 2020b, S. 17; Knaus/Tulodziecki 2023, S. 17 f.). Daher fragen wir uns, inwiefern Handeln in der Nutzung generativer KI (noch) als selbstbestimmt bezeichnet werden kann.
Medienkompetenz bedeutet, dass Menschen über bestimmte Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügen, um mit Medien kritisch, frei und selbstbestimmt umgehen zu können. Wie können Individuen aber ‚kompetent‘ in einer Sache sein, die sie selbst gar nicht umfänglich einschätzen können (vgl. Knaus 2020b, S. 44 f.; Knaus et AI 2023)? So deutet das ‚large‘ in Large Language Model (LLM) ja darauf hin, dass wir es mit für Menschen nicht überschaubaren Datenmengen und bei KI-Systemen insgesamt mit Rechenoperationen zu tun haben, die Menschen schwerlich überblicken und entsprechend kaum nachvollziehen können. Beim Deep Learning kommt sogar Explainable AI an ihre Grenzen, denn wenn Datenmuster zu komplex sind, um sie zu beschreiben, dann wird es auch schwieriger, diese Muster in eine für den Menschen verständliche Erklärung zu übersetzen (vgl. Knaus et AI 2023). Insofern ist es fraglich, ob Mediennutzung im KI-Zeitalter überhaupt noch selbstbestimmt sein kann.
In Bezug auf das Postulat der Freiheit und der Handlungsfähigkeit besteht zugleich das Problem, dass bei Nutzenden KI-basierter Systeme zunächst ein Wissen über grundlegende Funktionsweisen und Hintergründe jener maschinellen Schaffensprozesse gefördert werden muss, um diese zumindest prinzipiell nachvollziehen zu können. Wir fragen uns daher, ob die medienpädagogische Praxis und die Kulturelle Bildung Reflexionsräume (an)bieten können, in denen digitale Medien und Technik – zum Beispiel im Rahmen künstlerischer Artikulationsformen – zugänglich werden und damit ein Lernen über KI und die ihr eigenen Ästhetiken ermöglicht wird.

Kann KI Bildung (be)fördern?
Für Bildungskontexte ist der Freiheitsgedanke auch als Ausdruck menschlicher Undeterminiertheit von hohem Interesse: Nach Benjamin Jörissen und Winfried Marotzki lebt Bildung „vom Spiel mit den Unbestimmtheiten“ (Jörissen/Marotzki 2009, S. 21). Ist Bildung nur dann angemessen zu verstehen, wenn durch sie nicht nur „Bestimmtheit“ im Sinne eines materialen Bildungsbegriffs hergestellt wird, sondern diese auch „Unbestimmtheitsbereiche“ (Marotzki 1990, S. 153) eröffnet, dann wäre zu fragen, inwiefern solche auch in der Kreativkollaboration mit KI entstehen können. So ist zunächst festzustellen, dass KI-Systeme durch ihre Fähigkeit zur (wiederholten) Re-Generierung und Re-Inszenierung zahlreiche neue Perspektiven beziehungsweise Re-Mixe aufzeigen, die solche Unbestimmtheitsbereiche eröffnen und dadurch umfängliche neue Bildungsanlässe erzeugen können. Zugleich lädt die Anwendung von KI-basierten Expertensystemen aber mit ihren Antworten ‚auf Knopfdruck‘ auch zur unreflektierten Annahme und Weiterverbreitung der von ihr bestimmten Inhalte ein. Wir fragen uns in diesem Kontext, auf welche Weise diese generierten Informationen und Artefakte zum Reflexionsgegenstand werden können. Und mit Blick auf die medienpädagogische Praxis sowie die Kulturelle Bildung: Durch welche Konzepte und Ansätze kann eine bildende Auseinandersetzung mit den von KI (co-)produzierten medialen Produktionen gelingen?
Auch im Hinblick auf Schul- und Hochschulkontexte stellen sich Fragen zur Rolle von KI: In seinem bekannten TED-Talk provozierte Sir Ken Robinson bereits vor etlichen Jahren mit der Frage „Do schools kill creativity?“ (Robinson 2006) und deutete damit auf die wenig kreativitätsförderlichen Praktiken hin, die in vielen Schulsystemen (noch immer) vorherrschen. Heute erzeugen KI-Tools wie Text- und Bildgeneratoren zwar partiell Ängste vor einem drohenden Verlust klassischer Kulturtechniken auf Seiten der Lernenden, es werden aber auch Stimmen lauter, die die kreativen Potentiale – und nicht ein schlichtes Verbot – dieser Techniken für Bildungsprozesse in den Blick nehmen. In der didaktischen Reflexion rücken hier u. a. die Erfahrungen mit Antwortmaschinen als ‚Fragemaschinen‘ (vgl. Knaus/Tulodziecki 2023, S. 4), Dialogsystemen als Sparringspartner*innen (vgl. Knaus et AI 2023) oder als Unterstützer*innen für Lehrende im Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht in den Vordergrund (ebd.). Dabei handelt es sich vor allem um Konzepte zur kreativen Nutzung textgenerierender Dialogsysteme (wie ChatGPT) in Schule und Hochschule (vgl. Abteilung Medienpädagogik der PHL 2023; Knaus et AI 2023; Knaus/Tulodziecki 2023, S. 4–7; Salden/Lordick/Wiethoff 2023; Spannagel 2023; Weßels/Gottschalk 2023). Zur praktischen Nutzung von KI im Kontext von Bildungseinrichtungen stellen sich uns im Wesentlichen folgende Fragen: Wie können kreative KI-Techniken zu bildenden Erfahrungen beitragen, das Lehren unterstützen oder das Lernen befördern? Welche Rahmenbedingungen benötigen Bildungseinrichtungen, um einerseits den Herausforderungen der aktuellen technischen Entwicklungen begegnen zu können und andererseits diese als Potentiale für Unterricht und Lehre sowie für (individualisierte) Kompetenz- und Leistungsbeurteilungen konstruktiv zu wenden?

Schauen wir im Weitwinkel auf unsere Gesellschaft, dann zeigt sich, dass die kreative Zusammenarbeit von Mensch und Maschine mannigfaltige Potentiale birgt, aber auch ebenso vielfältige Herausforderungen – und es gibt noch zahlreiche offene Fragen. Wir fragen uns daher auch, was es für unsere Gesellschaft bedeutet, wenn wir schöpferische Prozesse an KI delegieren und diese dabei unreflektiert als Werkzeug nutzen (Knaus/Engel 2015, S. 28; Knaus 2020a, S. 18 f. und 40 ff.; Tulodziecki 2023, S. 205) oder mit ihr zusammenarbeiten und dadurch – bewusst oder unbewusst – Entscheidungen und Verantwortung an KI übertragen. Handelt es sich bei menschlichen Kreativprozessen, die durch generative KI-Techniken im Sinne einer augmented creativity ‚angereichert‘ werden, um selbstbestimmtes Handeln? Wie sind die bildungsorientierten Kategorien der Kritik, Mündigkeit und Urteilskraft in diesem Zusammenhang zu beurteilen? Und: Wie entsteht in kreativen Prozessen ein förderliches Verhältnis zwischen künstlichen und menschlichen Formen des produktiven Gestaltens?


In der nächsten Ausgabe der LBzM wollen wir uns aus medienpädagogischer Sicht mit der gesellschaftlichen und kulturellen sowie der subjektbezogenen Bedeutung von Künstlicher Intelligenz und den Möglichkeiten eines konstruktiv-kreativen Miteinanders von Mensch und KI befassen. Aufgrund des interdisziplinären Schwerpunkts zwischen Medienpädagogik, Bildungsinformatik und KI-Forschung und damit einhergehenden bildungsbezogenen, technik-, medien- und gesellschaftskritischen Fragen geben IZMM und FTzM die 24. Ausgabe der LBzM gemeinsam heraus. Mit diesem Call laden wir herzlich dazu ein, sich an der nächsten Ausgabe der Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik zu beteiligen.


Beitragsankündigung per Abstract

Interessierte können bis zum 05. November 2023 ihre Beitragsankündigung mittels eines kurzen Abstracts (mit etwa 2.000 Zeichen) per eMail an die Redaktion (thorsten.junge@ph-ludwigsburg.de) einreichen.

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Umfang der Beiträge & Layout

Die eingereichten Beiträge sollen etwa 8.000 bis 40.000 Zeichen umfassen. Nähere Informationen zum Layout sowie eine Formatvorlage (Stylesheet) erhalten interessierte Autor*innen nach Annahme ihrer Beitragsankündigung. Die Vollbeiträge für die LBzM können über folgenden Link (per OJS) eingereicht werden: https://www.medienpaed-ludwigsburg.de/about/submissions

Lizenzierung

Alle Hefte der Online-Zeitschrift Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik (ISSN 2190-4790) sind dauerhaft frei zugänglich; die Beiträge werden unter der Creative Commons-Lizenz CC BY-NC-ND veröffentlicht.

Zeitplan

  • Frist zur Einreichung einer Beitragsankündigung (etwa 2.000 Zeichen): 19. November 2023
  • Rückmeldung zur Annahme der Beitragsvorschläge bis zum 30. November 2023
  • Einreichung der Beiträge in OJS bis spätestens zum 11. Februar 2024
  • Begutachtung (Peer review, double blind) und inhaltliche Rückmeldung: Februar und März 2024
  • Überarbeitung der angenommenen Beiträge bis zum 16. Juni 2024
  • Produktion & Veröffentlichung: Juli/August 2024

 

Thomas Knaus, Olga Merz und Thorsten Junge für die Abteilung Medienpädagogik
Ludwigsburg, 11. September 2023

[PDF-Download]


Quellen

  • Abteilung Medienpädagogik der PHL (2023): Hinweise und Stylesheet für das Verfassen wissenschaftlicher Qualifikationsarbeiten in der Medienpädagogik. ph-ludwigsburg.de/fakultaet-1/institut-fuer-erziehungswissenschaft/medienpaedagogik/studium-und-lehre/qualifikationsarbeiten.
  • Aufenanger, Stefan (2020): Fördern digitale Medien Kreativität? friedrich-verlag.de/friedrich-plus/schule-paedagogik/digitale-schule/digital-unterrichten/foerdern-digitale-medien-im-unterricht-die-kreativitaet.
  • Barthes, Roland (1977): The Death of the Author (La mort de l'auteur). In: Barthes, Roland/Heath, Stephen (Eds.): Image – Music – Text. New York: Hill and Wang, pp. 142–148.
  • Bourdieu, Pierre (1992): Die feinen Unterschiede – Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (La distinction. Critique sociale du jugement). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Certeau, Michel de (1988): Kunst des Handelns (L’Invention du Quotidien). Berlin: Merve.
  • Ferguson, Kirby (2023): Everything is a Remix. everythingisaremix.info und youtube.com/watch?v=X9RYuvPCQUA.
  • Foucault, Michel (2008): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses (Surveiller et punir. La naissance de la prison). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Gapski, Harald (2021): Künstliche Intelligenz (KI) und kritische Medienbildung. digid.jff.de/ki-expertisen/kuenstliche-intelligenz-und-kritische-medienbildung-harald-gapski.
  • Jörissen, Benjamin/Marotzki, Winfried (2009): Medienbildung – Eine Einführung. Theorie – Methoden – Analysen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • Kant, Immanuel (2015 [1794]): Kritik der Urteilskraft. Köln: Anaconda.
  • Knaus, Thomas (2020a): Technology criticism and data literacy – The case for an augmented understanding of media literacy, In: Journal of Media Literacy Education – JMLE, 12 (3), pp. 6–16. doi.org/10.23860/JMLE-2020-12-3-2.
  • Knaus, Thomas (2020b): Von medialen und technischen Handlungspotentialen, Interfaces und anderen Schnittstellen. In: Knaus, Thomas/Merz, Olga (Hrsg.): Schnittstellen und Interfaces – Digitaler Wandel in Bildungseinrichtungen (Band 7). München: kopaed, S. 15–72. doi.org/10.25656/01:18452.
  • Knaus, Thomas et AI (2023): Künstliche Intelligenz und Bildung: Was sollen wir wissen? Was können wir tun? Was dürfen wir hoffen? Und was ist diese KI? Ein kollaborativer Aufklärungsversuch. In: Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik – LBzM, 23/2023 [im Erscheinen].
  • Knaus, Thomas/Tulodziecki, Gerhard (2023): Thomas Knaus im Gespräch mit... Gerhard Tulodziecki. In: Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik – LBzM, 23/2023 [im Erscheinen].
  • Mainzer, Klaus (2006): Einführung (Kolloquium 19 – Können Computer kreativ sein?). In: Abel, Günter (Hrsg.): Handbuch Kreativität. Hamburg: Felix Meiner, S. 867–884.
  • Marotzki, Winfried (1990): Entwurf einer strukturalen Bildungstheorie. Biographietheoretische Auslegung von Bildungsprozessen in hochkomplexen Gesellschaften. Weinheim: DSV.
  • Mersch, Dieter (2006): Imagination, Figuralität und Kreativität. Zur Frage der Bedingung kultureller Produktivität. In: Abel, Günter (Hrsg.): Handbuch Kreativität. Hamburg: Felix Meiner, S. 344–359.
  • Nida-Rümelin, Julian/Weidenfeld, Nathalie (2018): Digitaler Humanismus. Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. München: Piper.
  • Nilsson, Nils John (2010): The quest for artificial intelligence – A history of ideas and achievements. Cambridge: CUP.
  • Ritter, Helge/Martinetz, Thomas/Schulten, Klaus (1992): Neural computation and self-organizing maps – An introduction. Boston, MA: Addison-Wesley.
  • Robinson, Ken (2006): Do schools kill creativity? ted.com/talks/sir_ken_robinson_do_schools_kill_creativity.
  • Salden, Peter/Lordick, Nadine/Wiethoff, Maike (2023): KI-Basierte Schreibwerkzeuge in der Hochschule. In: Salden, Peter/Leschke, Jonas (Hrsg.): Didaktische und rechtliche Perspektiven auf KI-gestütztes Schreiben in der Hochschulbildung. hss-opus.ub.ruhr-uni-bochum.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/9734.
  • Siepmann, Dirk (2023): Auswirkungen von KI auf die Textproduktion in der Wissenschaft – Über Fähigkeiten und Grenzen der KI. In: Forschung & Lehre, 7/23. forschung-und-lehre.de/zeitfragen/welche-auswirkungen-kis-auf-die-textproduktion-in-der-wissenschaft-haben-5740.
  • Spannagel, Christian (2023): ChatGPT und die Zukunft des Lernens: Evolution statt Revolution. hochschulforumdigitalisierung.de/de/print/blog/chatgpt-und-die-zukunft-des-lernens-evolution-statt-revolution.
  • Stalder, Felix (2009): 9 Thesen zur Remix-Kultur. irights.info/fileadmin/texte/material/Stalder_Remixing.pdf.
  • Tulodziecki, Gerhard (2023): Individuelles Handeln und Gemeinwohl – Eine interdisziplinäre Handlungstheorie im Kontext von Freiheit, Verantwortung und künstlicher Intelligenz. Bielefeld: transcript.
  • Turing, Alan M. (1950): Computing Machinery and Intelligence. In: Mind, Vol. LIX, Issue 236, pp. 433–460. academic.oup.com/mind/article/LIX/236/433/986238 | 10.1093/mind/LIX.236.433.
  • Weßels, Doris/Gottschalk, Ole (2023): Hochschullehre unter dem Einfluss des KI-gestützten Schreibens. Wie soll die Hochschullehre mit Texten umgehen, die von einer künstlichen Intelligenz verfasst wurden? hochschulforumdigitalisierung.de/de/print/blog/Hochschullehre-KI-gestuetztes-Schreiben.
  • Winter, Dorothea (2022): Warum Künstliche Intelligenz keine schöne Kunst im kantischen Sinne hervorbringen kann. Berlin: J. B. Metzler.

     

     

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    Der Call for Papers zum Themenschwerpunkt "50 Jahre Medienkompetenz und kein bisschen weiter? Von der Kommunikativen Kompetenz zu DigComp" (Ausgabe 23) ist beendet. (PDF-Download)